Werkbeschreibung

Umfangreiche Planungen zur zukünftigen Stadtentwicklung waren notwendig geworden, weil die Stadt Köln seit der Jahrhundertwende einen rapiden wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung genommen hatte. Von 1888 bis 1922 folgten mit dichtem Abstand insgesamt vier Stadterweiterungen, die zum Ausbau neuer Siedlungs- und Industriegebiete genutzt wurden. Durch die rechtsrheinischen Einge­meindungen von 1910 und 1914 war Köln zur flächenmäßig größten deutschen Stadt geworden. Von 1871 bis 1914 war die Einwoh­nerzahl von 129 000 auf 635 000 gestiegen. Köln war mit einem Schlag moderne Großstadt geworden.
In nur drei Jahren (1920-23) erstellte Schu­macher unter der Mitarbeit von Wilhelm Arntz und Gartenbaudirektor Fritz Encke den detail­liertesten Vorschlag zur Umgestaltung und Modernisierung einer deutschen Großstadt der zwanziger Jahre. Dabei galt es, ein Konzept für die Gesamtentwicklung Kölns zu fertigen, nach dem die bereits bestehende Stadtstruktur refor­miert und die weitere Stadtentwicklung in bestimmte Bahnen gelenkt werden konnten. Hauptziel des Generalplanes war die Dezentra­lisierung der Menschenballung durch ein in gestaffelten Zonen abflachendes Stadtgebilde. Dazu mußte die Planung den endgültigen Zustand der Gesamtstadt erfassen und das Verhältnis der Wohnstadt zur Geschäftsstadt neu bestimmen. In einem Prozeß der Umstruk­turierung sollte sich die Großform der Stadt von einem zentrischen zu einem elliptischen Gebilde entwickeln. Das bedeutete, im links­rheinischen Stadtgebiet bereits vorhandene Strukturen aufzulösen und in die Neue Stadt einzubringen, während auf der rechten Rhein­seite die vorhandenen Ansiedlungen und Flächen zu einer Struktur erst entwickelt werden mußten. Beide Stadthälften sollten dann zu einer organischen Einheit mit dem Rhein als Rückgrat und Lebensader zusam­mengefügt werden. Bestimmte Lebensbereiche konzentrierten sich an »Nebenzentren«, verbunden durch ein Verkehrs- und Grün­system. Als wichtigstes Zentrum neben der Kölner Altstadt war Worringen im Norden der Stadt vorgesehen. Hierhin sollte das Industrie­gebiet verlegt werden und ein Arbeitsgebiet von fast gleicher Größe wie die bestehende Altstadt entstehen, geplant für 20000 Men­schen. Ihre Ansiedlung war nicht in Form des bisherigen Großstadttypus geplant, sondern in einem »weiträumigen, neuen System«. Dabei sollten zwischen den geplanten Industriewerken und Wohnsiedlungen weite Felder liegen. Um eine einheitliche Gestaltung zu erreichen, wurde eine Eingemeindung geplant und 1925 voll­zogen. Bereits 1930 begann mit dem Bau der Fordwerke die Industrieansiedlung. Verkehrstechnisch hatte Köln ein historisch überliefertes System von Radialen und Ring­verbindungen, die alle auf die halbkreisförmige Altstadt ausgerichtet waren. Mit der Änderung der Stadtform zu einem elliptischen Gebilde mußte daher dieses Straßennetz grundlegend geändert werden. Um überflüssige Zerschnei­dungen zu vermeiden, sollten dieses Radial­system vereinfacht und die wichtigsten Ausfall­straßen leistungsfähiger gemacht werden. Wo dies nicht mit Verbreiterung erreicht werden konnte, wurden Umgehungsstraßen für enge Ortskerne und Stadtteile geplant. Die Ring­straßen sollten durch tangential angelegte Entlastungsstränge in Diagonalverbindungen aufgelöst werden. Die umfangreichsten Umge­staltungen im Straßensystem waren im Norden der linksrheinischen Stadt nötig, um die Neue Stadt anzubinden. Rechtsrheinisch war das Straßennetz weniger ausgeprägt und stärker durch ehemalige Provinzialstraßen struk­turiert. Diese Radialen sollten durch Diagonale ergänzt und auf die Brückenpunkte zugeführt werden, um für die in diesem Stadtbezirk geplanten Arbeitersiedlungen ein entspre­chendes Verkehrsnetz bereitzustellen; Brücken bei Mülheim und am Heumarkt sollten dieStadthälften links und rechts des Rheines zusammenfügen. Hauptproblem der Verkehrsplanung war der Altstadtbereich mit seinen engen Gassen, die den modernen Forderungen des Personentrans­ports und des Warenumschlags nicht gewachsen waren. Seit der Römerzeit bestanden zwei große Kölner Verkehrs- und Handelsadern, die Hohe Straße (in Nord-Süd­Richtung) und die Breite Straße (in Ost-West­Richtung). Entlastet werden sollte dieses Achsenkreuz durch diagonale Straßenzüge. Nach dem Bau des Bahnhofs am Aachener Weiher sollten von hier aus Aachener Straße, Hahnenstraße und Cäcilienstraße erweitert werden. Die an dieser Mittelachse der Stadt liegenden Plätze Hahnentor, Neumarkt und Heumarkt waren als bahnhofsartige Betriebs­knotenpunkte der Straßenbahn vorgesehen. Verankerungspunkt dieser neuen Ost-West­Achse sollte der Heumarkt sein, und eine neue Rheinbrücke sollte die Innenstadt mit dem rech tsrheinischen Stadtteil Deu tz verbinden. Der Altstadtbereich Kölns, dem Schumacher besondere historische Bedeutung zumaß, mußte grundlegend umgestaltet werden. Hier befanden sich die wichtigsten Baudenkmäler der Stadt: Dom, Rathaus, Groß St. Martin und der Gürzenich, so daß die Umgestaltung in eine Reihe architektonischer Einzelprobleme zerfiel. Die städtebauliche Reformlösung für das gesamte Gebiet war daher an die gleich­zeitige architektonische Lösung dieser Einzel­fragen gebunden. Der erst 1880 endgültig fertiggestellte Dom, das Wahrzeichen Kölns, war von seiner mittelalterlichen Umbauung freigelegt worden. Entstanden waren einige um den Dom axial angelegte Räume. Schumacher war jedoch der Auffassung, daß der Dom ohne maßstabgebende Randbebauung eine wesenlose Leere« bot. Eine Grünfläche an seiner Südseite wollte er durch einen kleinen, von niedrigen Trakten umschlossenen Hof mit kreuzgangartigem Charakter ersetzen. Gedacht war dieses Gebäude als Dommuseum. Das nach Osten hin abgeflachte Gelände wurde durch eine hochliegende Terrasse geebnet. Hier sollten Ladenlokale und Bahnhofsanlagen eine Anzahl von Häuschen ablösen, die Schumacher als unpassend empfand, und Treppen die Terrasse mit den tieferliegenden Straßen verbinden. Schumacher wollte auf diese Weise horizontale Linien schaffen, die von den aufstrebenden Linien des Domes geschnitten werden und so dessen monumentale Kraft steigern sollten.
Für das Rathaus, ein Konglomerat verschie­dener Baustile, sah Schumacher eine Erwei­terung und bessere Einbindung in das Stadt­gefüge vor. Dieser wichtigste Profanbau derStadt sollte zu einem einheitlichen Block zusammengefaßt und ergänzt werden. Weitere Planungen betrafen den Gürzenich und seine Umgebung, eine Börse (obwohl Köln eine wichtige Handelsstadt war, gab es hierfür kein eigenes Gebäude) und die Umgestaltung von St. Pantaleon. Diese im südlichen Altstadtbe­reich gelegene Stiftskirche sollte durch eine umfangreiche Neugestaltung ihres Umfeldes, zum Beispiel der Umwandlung noch vorhan­dener Gärten in öffentliche Grünanlagen, in die Stadt eingefügt werden.
Der von Schumacher entworfene Generalplan formte Köln zu einer modernen Großstadt um. Das von ihm entwickelte städtebauliche Leitbild einer elliptischen Stadtform blieb weit­gehend bestimmend. Auch die Wiederaufbau­planung von Rudolf Schwarz nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte sich in ihrer Zuordnung städtischer Funktionen an dem von ihm entworfenen Leitbild. Wesentliche Pla­nungen wie die Industriestadt im Norden wurden in den fünfziger Jahren realisiert; der hauptsächliche Ausbau der Neuen Stadt (Chor­weiler) erfolgte erst in den siebziger Jahren. Wie weitschauend Schumachers Analyse und Planung waren, zeigt sich an zahlreichen aktu­ellen städtebaulichen und architektonischen Fragen. Mit dem Wettbewerb um den Bres­lauer Platz neben dem Dom wurde die Frage nach Hochhausbauten im Altstadtbereich wieder akut. Auch die übrigen Problemfelder wie Ost-West-Achse, Heumarkt und Dom­umgebung sind erneut in der Diskussion und Planung.

Kategorie


Ort
Köln

Baujahr
1920-23

Auftraggeber
Stadt Köln

Quellen
SUB, Schumacher-Nachlaß; StaH, Schumacher-Nachlaß 621-2; Fritz Schu­macher: Köln. Entwicklungsfragen einer Groß­stadt. S. 341 ff.; Ockert: Schumacher, S. 7lff.; Hartmut Frank: Schumachers soziale Stadt­baukunst. In: Zur Aktualität der Ideen von Fritz Schumacher. Schriftenreihe der Arbeits­gruppe Fritz Schumacher Kolloquium. Hamburg 1992, S. 56.
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223 Generalsiedlungsplan Köln

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