Bis 1918 waren alle Stadtplanungen durch den Festungscharakter Kölns beeinflußt. Die Aufhebung des aus zwei breiten Gürteln bestehenden Festungsrayons im August 1920 beseitigte dieses städteplanerische Hemmnis. Der innere Rayon war ein weitgehend unbebautes Gelände, das sich zwischen der Kölner Neustadt und einem Kranz von Vorstädten und Siedlungen erstreckte. Bereits 1911 war von Carl Rehorst ein Bebauungsplan aufgestellt worden, der eine höchstens zweigeschossige Bebauung für das gesamte Gebiet vorsah. Konrad Adenauer, der damalige Oberbürgermeister, lehnte diesen Plan ab, da er durch die gleichmäßige Geschoßhöhe monoton wirke und die 10000 Interessenten für Villen zu seiner Realisierung so bald nicht zur Verfügung stehen würden. Er forderte daher einen neuen Bebauungsplan, der ohne Einsatz öffentlicher Mittel genügend Freiraum für Grünflächen erhalten und gleichzeitig den Grundstückseigentümern eine wirtschaftlich tragbare Bebauung ermöglichen sollte. Die Rheinische Städteordnung von 1856 garantierte ihm weitreichenden Einfluß, und so wurde er zwischen 1918 und 1933 zur zentralen politischen Figur für Köln im Allgemeinen und dessen Stadtentwicklung im Besonderen. Für Adenauer war die Großstadt in erster Linie eine »wirtschaftliche Notwendigkeit«, die gleichzeitig auch „Bahnbrecher des Fortschritts für das ganze Land“ war. Er lehnte aber die „üble Großstadtkultur“ ab, in deren Mauern „der weite Horizont, das Sternenmeer, das Wachsen, Blühen und Welken der Natur, der Erdgeruch nicht mehr zu sehen, zu spüren ist«. Die Stadtplanung sollte die moderne Großstadt in langsamer, weitsichtiger Arbeit umbilden in einen Organismus, der aus einem Geschäftszentrum und in sich gegliederten kleinstädtischen, ja dörflichen Gebilden besteht. (Carl-Wolfgang Schümann: Adenauers Ansichten zur Architektur im Spiegel der Akten. In: H. Stehkämper (Hrsg.): Konrad Adenauer. Köln 1976, s. 159f.). Eine Rayonkommission der Stadtverordnetenversammlung beauftragte 1919 drei Stadtplaner, ein Gutachten zur Bebauung des inneren Rayons abzugeben. Neben dem Kölner Stadtbaurat Albert Stooß und Hermann J ansen aus Berlin war dies Fritz Schumacher aus Hamburg. Alle Wettbewerbsteilnehmer sahen eine mehrgeschossige Wohnbebauung vor, deren Nachteile durch eine unterschiedlich großzügige Freiflächenplanung ausgeglichen werden sollten.Im Kleinwohnungsbau sah Schumacher das zentrale Problem der Großstadt. Relativ niedrige Wohnblocks sollten preiswerte Wohnungen für besserverdienende Arbeiter und Angestellte bereitstellen. Er entwickelte in Köln jedoch hierzu kaum detaillierte Planungen, sondern griff auf die bereits in der Stadt bestehenden Organisationen zurück, die aus der Genossenschaftsbewegung der katholischen Soziallehre und der Arbeiterbewegung entstanden waren. Die strukturelle Kapitalschwäche vor allem der kleinen Genossenschaften hatte bereits 1913 zu einem genossenschaftlichen Verbundsystem, der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau, geführt. Die Hälfte der Aktien wurde von der Stadt Köln gehalten, die übrigen Anteile von Kölner Großunternehmen, denen ein Bezugsrecht für die neuen Wohnungen eingeräumt wurde und die so keine Werkswohnungen zu bauen brauchten. Im Rahmen dieser Organisationsformen waren bereits Typengrundrisse
entwickelt worden, die Schumachers Zustimmung und Anerkennung gefunden hatten (vgl. Werner Reinen, Anne-Marie Pfeffer: Köln: Siedlungen 1888-1938. In: Stadtspuren. Denkmäler in Köln. Köln 1988).
Adenauer sah offensichtlich in Schumacher den geeigneten Städteplaner für seine Vorstellungen eines zukünftigen Köln. Nach dem Wettbewerb für den inneren Rayon von 1919 bewegte er Schumacher, sich in Hamburg beurlauben zu lassen, um einen Generalsiedlungsplan für Köln (1920-23) aufzustellen.
Schumacher-Nachlaß 621-2; Fritz Schumacher: Köln. Entwicklungsfragen einer Großstadt. München 1923; Schumacher: Stufen, S.34lff.; Ockert: Schumacher, S. 7lff.;
Hartmut Frank: Schumachers soziale Stadtbaukunst. In: Zur Aktualität der Ideen von Fritz Schumacher. Schriftenreihe der Arbeitsgruppe Fritz Schumacher Kolloquium. Hamburg 1992, S. 56.
209 Wettbewerb zur Bebauung des inneren Rayons