Werkbeschreibung

Die reichsweite Einrichtung von Handwerkskammern (1897) und die Schaffung von Arbeitsnachweisen der Arbeitgeber (in Hamburg ab 1865) führten bald zu einem Aufgabenzuwachs der Innungen, der bauliche Konsequenzen nach sich zog. Da zugleich die Aufsichtsbehörde über das Innungswesen ein Domizil suchte, verständigten sich Senat und Handwerkskammer über den Bau eines Staatsgebäudes mit Kontoren und Versammlungsräumen, die von den Handwerksinnungen angemietet werden konnten. Das von Schumacher entworfene Gewerbehaus erhielt eine vertikal gegliederte, dreigeteilte Fassade aus rotbraunen Handstrichsteinen, die Elemente des Kontorhauses (Mittelbau mit „Bay-Windows“ über dem Haupteingang) mit solchen des alten Bürgerhauses (geschweifte Barockgiebel über den vorstehenden Seitenbauten) verbindet. Ausgedrückt wird zweierlei: Stolz der Innungen auf ihre bis ins Mittelalter zurückgehende Tradition und demonstratives „Gleichziehen“ mit der neuen politischen Kraft der Gewerkschaften, die sich 1906 am Besenbinderhof ein großes Gebäude errichten ließen. Ein zweiter, unauffälliger Eingang ins Tiefparterre im rechten Seitenbau verweist auf die Doppelfunktion des Gebäudes, in dem Arbeitgeber und Arbeitssuchende verkehrten, ohne sich jedoch zu begegnen. Die Furcht der Innungsvertreter vor Belästigungen durch streikende und arbeitslose Arbeiter war das Motiv gewesen, den Arbeitsnachweis im Innern als abgetrennten Bau mit eigener Erschließung zu planen. Das auf dieser Gebäudeseite angeordnete zweite Treppenhaus mit Arkadenumgängen und Oberlicht ist nicht der prächtigste, aber der bei weitem gelungenste Raum in diesem Bau, der seinen Architekten noch Jahrzehnte danach ins Schwärmen brachte („Zauberkasten der verschiedensten Säle und Bürokomplexe“, Schumacher: Stufen, S. 303). Schumacher bekannte später allerdings seine politische Naivität gegenüber den Innungsmeistern. Dass dieser Bau „in Wahrheit eine Trutzburg gegen die Gewerkschaften bedeutete, war mir gar nicht in den Sinn gekommen“ (Schumacher: Selbstgespräche, S.86). Die meisten Details der Innenausstattung wie zum Beispiel Uhren, Lampen, Türgitter, Türgriffe, Heizungsverkleidungen entwarf Schumacher. Auch Möbel wie Schreibtische, ein Konferenztisch, Garderoben wurden nach Schumachers Angaben angefertigt. Die farbige Innenausmalung einiger Räume bestimme Otto Fischer-Trachau. Von Arthur Storch stammte die Brunnenfigur der Halle, ein keramischer Wandbrunnen mit drei Katzen im Treppenhaus von Alphons Ely.

>> link zu Text, Bild und Grundrissen in „Hamburg und seine Bauten“, Bd. 1, 1904, über „digitalisate.sub.uni-hamburg.de“

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>> link zu einer Reihe von historischen Fotos (Fotograf: Dransfeld) des Baus über „commons.wikimedia.org“

Kategorie
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Ort
Hamburg-Neustadt, Holstenwall 12

Baujahr
1912-15

Auftraggeber
Freie und Hansestadt Hamburg

Quellen
Baubehörde, Bestand Schumacher; Schäfer: Staatsbauten, Bd. 2, S. 23f., Abb. S. 176-294; Hbg. u.s. Bauten 1914, Bf. 1, S. 228f., Abb. 341-343; Fritz Schumacher: Das Gewerbehaus in Hamburg. In: Innen-Dekoration 36 (1925), S. 366-371; Fritz Schumacher. In: Moderne Bauformen 21 (1922), S. 65ff.; Schumacher: Stufen, S. 303; Schumacher: Selbstgespräche, S. 86; Stefan Timpe: Eine Trutzburg gegen die Gewerkschaften. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 78 (1992), S. 164-181.
Zustand
Werk erhalten
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145 Gewerbehaus Hamburg

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